Kirchenkreis Teltow - Teil 3

Ein Kind des Mauerbaus – Der Kirchenkreis Teltow

Teil 3 –Unter den Augen der Staatsmacht

Zwei Tage nach der konstituierenden Sitzung der neuen Kreissynode am 27. Januar 1963, zu der bereits  Grüße der „Arbeitsgemeinschaft der Christen in der Nationalen Front“ eingetroffen waren, begrüßte der Rat des Kreises Potsdam in einem Schreiben die neuen Synodalen mit den Worten: „Wir begrüßen die neugewählten Männer und Frauen, wünschen ihnen Gesundheit und Schaffenskraft in ihrem verantwortungsvollen Dienst und geben gleichzeitig der Hoffnung Ausdruck, dass (sie) ihre Arbeit im Sinne einer aufrichtigen, fruchtbaren Zusammenarbeit zwischen Staat und Kirche führen. Staat und Kirche und mit uns alle werktätigen Menschen haben das gemeinsame Ziel, für das Zeitalter des Friedens und der sozialen Sicherheit, der Menschenwürde und Brüderlichkeit, der Freiheit und Gerechtigkeit, der Menschlichkeit und Lebensfreude zu wirken… Unser Wunsch ist es, die bisherige Zusammenarbeit zum Wohle unseres gesamten Volkes weiter zu vertiefen.“ Auch beim Amtsantritt von Superintendent Kähler1966 erreichten ihn entsprechende Grüße, für die er sich artig bedankte und seiner Hoffnung Ausdruck gab, „dass auch in Zukunft der Kontakt zu den staatlichen Stellen gut bleiben wird“.

Hinter diesen Höflichkeiten verbarg sich allerdings eine tiefe Kluft zwischen Kirche und Staat, die sich in der gesamten DDR zum einen in Willkür, Demütigung und Zurücksetzung von Kirchenmitgliedern, zum anderen durch eine ständige Überwachung kirchlicher Amtsträger und einer systematische Beobachtung kirchlicher Aktivitäten ausdrückten. Dies veranlasste den Thüringer Landesbeauftragten für die Aufarbeitung der SED-Diktatur, Christian Dietrich, sogar zu der Aussage: „Die größte Verfolgtengruppe in der DDR waren Christen“.

So gehörten die oben zitierten Gratulanten zum Referat „Kirchenfragen“, des Rates des Kreises Potsdam. Ihm oblag eine regelmäßige Berichtspflicht gegenüber der Staatssicherheit über Verhalten und Aktivitäten von Pfarrern und Gemeindekirchenräten: 1966 wurde notiert, dass Superintendent Kähler nebst anderen Pfarrern des Kirchenkreises „offen sagten, dass sie ihrer Wahlpflicht als Bürger der DDR nicht nachkommen“. In einem weiteren Bericht hieß es 1968: „Negative Kräfte sind zum Teil im Raum Teltow konzentriert. Mit Ausnahme… stehen alle Pfarrer zum Superintendenten Kähler, der einen mehr negativen Einfluss auf sie ausübt“. Genauestens wurden Wahlen zu den Gemeindekirchenräten analysiert und protokolliert. Auch die Haltung der einzelnen Kirchenältesten zum Staat wurde eingeschätzt. Von den neun Ältesten aus Teltow wurden einer als „sehr negativ“, zwei weitere als „negativ“ und „noch negativ“ eingestuft. Von zwei weiteren Ältesten hieß es „steht zu uns“, die beiden übrigen waren „zurückhaltend“ oder hatten „keine Meinung“. Letztlich trugen zwei das Prädikat „Positiv“.

Ingeburg Kähler, die Ehefrau des Superintendenten, schrieb zu den Überwachungen in ihren Erinnerungen von „offenen und verdeckten Bespitzelungen, verweigerten Genehmigungen verschwundenen Briefen…“ und vom „Knacken im Telephon“, das bedeutete „einer hört mit“. Sie berichtet: „Wir besprachen Treffen nicht am Telephon, aber auch nicht in unseren Wohn-, Schlaf- oder Arbeitsräumen, denn dass die allesamt mit Abhörgeräten verwanzt waren, davon gingen wir berechtigterweise aus“.

Im Bericht über den Kirchenkreis Teltow anlässlich der Generalkirchenvisitation 1969 wurde zum Thema „Kirchenkreis und politischer Kreis“ vermerkt: „Schwierigkeiten hat es … vor allem bei der Erteilung bzw. Verweigerung von Zuzugsgenehmigungen für Pfarrer in unseren Gemeinden gegeben. Auch wurden 1967 erhebliche Schwierigkeiten  bei der Durchführung des Kreiskirchentages gemacht und 1968 eine Tagung der Evangelischen Akademie, die in Teltow stattfinden sollte, kurzfristig verboten“. Weiter wurde vermerkt, dass den Söhnen zweier Pfarrer im Kirchenkreis die Zulassung zur erweiterten Oberschule verweigert wurde, „obwohl dies nach dem Stand ihrer Leistungen hätte der Fall sein müssen“. Vor diesem Hintergrund, beauftragte die Kreissynode1969 ihre Organe „bei Gesprächen mit den verantwortlichen staatlichen Stellen ihre Besorgnis betreffs weltanschaulicher Bedrückung und Benachteiligung bei Zulassung zu Ausbildungsstätten geltend zu machen“.

Gleichwohl nahm das Parlament des Kirchenkreises immer wieder zu gesellschaftlichen Fragen Stellung. Gleich zur ersten Tagung im Januar 1963 wurde aus der Gemeinde Stahnsdorf ein Antrag eingebracht, in dem die Verantwortlichen „in unserer Kirche, in unserem Volk und Staat“ aufgerufen wurden „nicht müde zu werden zu beten, zu mahnen und zu wirken für eine Versöhnung innerhalb unseres Volkes und zwischen den Völkern unabhängig von Wirtschaftsformen und politischen Meinungsbildungen“. Der Antrag erhielt allerdings keine Mehrheit.

In der Herbsttagung 1964 kritisierte die Kreissynode den Entwurf des Ministerrates der DDR zur „Gestaltung des einheitlichen sozialistischen Bildungssystems“, das den Raum für die christliche Erziehung in den Kirchengemeinden einengte. Hoch her ging es auch in Debatten nach dem Einmarsch der Truppen des Warschauer Paktes zur Niederschlagung des Volksaufstandes in der CSSR 1968. Die Entwürfe zu einer Resolution schwankten zwischen offener Kritik an der Beteiligung von Einheiten der Nationalen Volksarmee der DDR und vorsichtigen Formulierungen zu einer kirchlichen Friedensethik.

Viele Interventionen und Fürsprachen des Superintendenten bei staatlichen Stellen für bedrängte Gemeindeglieder wurden aus gutem Grund nicht schriftlich festgehalten. Auch bemühte man sich, Unterlagen zu kirchlichen Beratungen möglichst in den eigenen Reihen zu belassen. Aus der Tagung einer Kreissynode in den achtziger Jahren wurde zur Verabschiedung des Haushaltsplanes berichtet: „ die Vorlage bestand aus einem Blatt Papier, das als Tischvorlage verteilt und vom Superintendenten kurz erläutert wurde; dann wurde es zur Abstimmung gestellt und anschließend wieder eingesammelt, damit es nicht in falsche (staatliche) Hände kommen sollte“.

Superintendenten Puttkamer ahnte bereits 1963, welche Schwierigkeiten dem neuen Kirchenkreis im Verhältnis zum Staat bevorstanden und sagte: „Wir warten nicht auf politisch günstigen Wind“. Er bemühte jedoch das Prinzip christlicher Hoffnung mit den Worten: „Der Heilige Geist weht, wo er will, er kann auch bei uns wehen… Wir haben einen Gott, der Wunder tut“.

Thomas Karzek

- Fortsetzung folgt -

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